Aktuelles
Licher Schüler besuchten Seminar in Buchenwald Auch Dietrich Bonhoeffer war dort zeitweise inhaftiert
Rund 266.000 Menschen waren zwischen 1937 und 1945 im Konzentrationslager Buchenwald oder in einem der über 140 Außenlager inhaftiert. Rund 56.000 von ihnen fanden hier den Tod.
Mitte Mai beschäftigten sich Schülerinnen und Schüler der Dietrich-Bonhoeffer-Schule Lich vor Ort intensiv mit der Geschichte des Lagers, das eines der größten KZ in Deutschland war.
Gemeinsam mit den Lehrkräften Jan Hildebrand und Silke Dehmer verbrachten die Jugendlichen fünf Tage in der Gedenkstätte Buchenwald um mehr über die Geschichte des Ortes zu erfahren. Gedenkstättenpädagoge Dr. Helmut Rook unterstütze die Neunt- und Zehntklässler*innen bei der Erkundung des Geländes und der Erforschung von Orten, Ereignissen und menschlichen Schicksalen. Dabei ermöglichte er auch Einblicke in Gebäude, die im Normalfall Besuchern nicht zugänglich sind. So konnten die Licher zum Beispiel die Rekonstruktion einer Häftlingsbaracke, einen Wachturm und den Glockenturm des Mahnmals von innen besichtigen. Bei einem Stadtgang durch Weimar erfuhren sie mehr über die Beziehung der ehemaligen Gauhauptstadt Weimar zum Lager auf dem Ettersberg. Auch die ehemalige Haftstätte des Namensgebers der Schule, Dietrich Bonhoeffer, konnten die Schüler*innen kennenlernen. Die Ausstellung in der ehemaligen Kleiderkammer wurde von den Jugendlichen als Ausgangspunkt für ihre eigenen Recherchen genutzt.
So beschäftigte sich Veronika etwa mit einzelnen Biografien. Dabei konzentrierte sie sich nicht auf einzelne Häftlingsgruppen, sondern versuchte etwas über Frauen, Kinder und Männer herauszufinden, die in Buchenwald waren. Während ihrer Recherche stieß sie zum Beispiel auf ein polnisches Mädchen namens Danuta Brzosko. Besonders an ihrer Geschichte war, dass sie am Tag ihrer Abiturprüfung verhaftet wurde und diese auf einem Gefängnishof ablegte. Danuta überlebte und ihre besondere Abiturprüfung wurde später sogar offiziell in Polen anerkannt.
Für Emily waren verschiedene originale Fundstücke aus ehemaligen Häftlingsbaracken besonders interessant. Sie beschäftigte sich intensiver mit einer abgenutzten Essschüssel aus Aluminium, welche bereits 2002 ausgegraben und restauriert sowie vollständig untersucht und dokumentiert worden war. Die Schüssel wies mehrere, in ihrer Herkunft ohne weitere Nachforschung teils zunächst schwer identifizierbare Einritzungen auf, die von Häftlingen angefertigt waren. Es waren symbolische Verzierungen, aber auch Wörter und Namen in kyrillischen und römischen Zeichen sowie Zahlenkombinationen — möglicherweise Häftlingsnummern — eingeritzt. Was ist die Geschichte, die sich hinter jeder einzelnen dieser Kennzeichnungen verbirgt? Wie Emily im Dokumentationsordner des Fundstückes herausfand, war zwar der Großteil der Einritzungen rätselhaft, jedoch konnten durch Recherche verschiedene Zusammenhänge zwischen einzelnen Namen und Häftlingsnummern hergestellt werden. Wahrscheinlich wurde der Gegenstand mit der Zeit unter Häftlingen weitergegeben oder sogar geteilt, denn Essschüsseln waren zur damaligen Zeit in Buchenwald Mangelware und extrem notwendig fürs eigene Überleben, weil es meist eine dünne Suppe zu essen gab.
David, Dean und Luis haben sich mit den Gebäuden des Konzentrationslagers Buchenwald und ihren Funktionen beschäftigt. Eines dieser Gebäude war das “Krematorium”. Fälschlich wurde es als ein solches bezeichnet, obwohl es eher einem Leichenvernichtungsofen ähnelte. Hier wurden die Leichen der Häftlinge verbrannt. Es wurde 1940 gebaut, weil das Krematorium der Stadt Weimar die großen Mengen an Leichen nicht mehr verbrennen konnte und die Zahl nicht öffentlich werden sollte. Die sechs Öfen der Verbrennungsanlage waren nicht gesetzesgerecht gebaut. Sie waren zu klein für einen Sarg und miteinander verbunden, wodurch sich die Asche der Toten miteinander vermischte. Auch damals war gesetzlich geregelt, dass Tote einzeln und im Sarg kremiert werden mussten. Der Rauch aus dem Schornstein brachte eine große psychische Belastung für die Häftlinge mit sich.
Mit dem Lagertor des ehemaligen Konzentrationslagers haben sich Natalie und Anne auseinandergesetzt. Das Lagertor ist mit Abstand der bekannteste Anblick des Lagers. Aber was ist das Lagertor eigentlich? Das Lagertor war der Eingang ins Lager, durch den die neuen Häftlinge hindurch gehen mussten, um ins Lager zu gelangen. Noch heute kann man Details von früher darin sehen, wie die Uhr am Turm, die mit 15:15 Uhr auf die Zeit der Befreiung am 11. April 1945 eingestellt ist. Außerdem kann man in der Tür des Tores eine Innenschrift lesen „Jedem das seine“, dies sollte für die Häftlinge implizieren, dass sie selbst daran schuld seien, dass sie gefangen wurden, und die Lagerhaft verdient hätten. Doch dies stimmte nicht, da sie keine Straftaten begangen hatten und unschuldig inhaftiert wurden.
Eine andere Gruppe hat sich mit dem „Bunker“ beschäftigt. Der Bunker war eine besondere Haftstätte und ein Ort des Schreckens für die Häftlinge. Die SS führte dort strenge Strafen durch und nannte das Gebäude "Kommandanturarrest", während die Häftlinge es "Bunker" nannten. In den Bunker wurden Häftlinge wegen jeder Kleinigkeit eingesperrt. Er hat dazu gedient die Gefangenen zu verängstigen, damit sie sich nicht gegen die SS-Männer ”wehren“. Im Bunker sind sehr traumatische Dinge passiert, die man — wenn man dort überhaupt überlebte — nie wieder vergisst. Die Menschen wurden auf brutalste Weise gefoltert, was meist zu dem Tode führte. Martin Sommer, der Bunkeraufseher, liebte es die Menschen zu foltern. Wie Josi und Ida herausfanden, war es seine bevorzugte Foltermethode die Insassen bis zum Tode hungern zu lassen. Oft wurden auch Menschengruppen in kleine Zellen gesperrt, dort gab es keine Möglichkeiten sich hinzulegen oder zu setzen. Einige fielen nach ein paar Stunden um. Heute sind in einigen Zellen Gedenkräume für die Ermordeten eingerichtet worden.
Mit den Biografien dieser Opfer haben sich Lissy, Alessia und Elena auseinandergesetzt. Im Zentrum ihres Interesses standen der Bunkeraufseher Martin Sommer als Täter sowie die Opfer Paul Schneider, die Gebrüder Edmund und Philipp Hamber und Czeslaw Pabisch.
Martin Sommer war für seine gnadenlosen Taten im Bunker bekannt.
Paul Schneider war Pfarrer und wollte seinen Mithäftlingen durch Predigten aus dem Bunker heraus Mut zusprechen. Er wurde mit einer Überdosis eines Herzmedikamentes ermordet. Die Hamber-Brüder waren in der österreichischen Filmbranche tätig. Einer der Brüder starb durch die Tyrannisierung eines SS-Mannes, der andere wurde als Zeuge ermordet. Auch der Pole Czeslaw Pabisch wurde bestraft. Mit einem alten Sack unter seiner Häftlingskleidung versuchte er sich zu wärmen. Da dies verboten war, erhielt er dafür 15 Schläge auf dem Prügelbock.
Die Licher Schüler*innen haben während des Aufenthalts in der Gedenkstätte Buchenwald einen vielseitigen geschichtlichen und politischen Einblick in die Zeit des Nationalsozialismus bekommen. Rückblickend blieb die Annäherung an die Vergangenheit durch Biografien der Opfer und Täter an authentischen Orten, die schiere Größe des Lagers mit angeschlossener SS-Kaserne, Waffenfabriken und eigener Bahnlinie, die biografischen und sehr persönlichen Geschichten von Dr Helmut Rook zur der Gedenkstätte sowie die große Zahl der Opfer den Schüler*innen besonders im Gedächtnis.